2. Berichte

weniger ist mehr 

Wie Stiftungen Berichte konstruktiv nutzen können

Berichte braucht es, um Transparenz herzustellen und Rechenschaft abzulegen. Berichte können Stiftungen aber auch dabei helfen, Förderpartner, Aktivitäten und Themenfelder besser zu verstehen. Sie erlauben es, Wirkungen zu erfassen sowie erfolgreiche Praktiken zu dokumentieren und zu teilen. Zudem können Berichte dazu beitragen, Strategien und Annahmen zu validieren und Fehler zu erkennen, aus denen man für die Zukunft lernen kann.


In der Realität fragen Stiftungen allerdings häufig Informationen ab, die wenig relevant sind oder nicht verwendet werden. Im schlimmsten Fall werden mit viel Aufwand lange Berichte verfasst, die nicht gelesen oder nicht weiter genutzt werden. 31 Stunden investierten geförderte Organisationen, die 2019 im Schweizer „Grantee Review Report“ befragt wurden, im Durchschnitt in die Berichterstattung – pro Förderung! Wenn Projektträger von mehreren Stiftungen und Förderinstitutionen Geld erhalten, kann es sein, dass sie mehrere Wochen pro Jahr mit dem Berichtswesen verbringen. Ist das (immer) sinnvoll?


In diesem Kapitel erhalten Stiftungen praktische Tipps, wie sie ihr Berichtswesen zielgerichtet und für alle Seiten effizient organisieren können. Die Leitfragen lauten dabei: Was ist wichtig, warum und für wen? Geht es um Kontrolle oder ist das Ziel ein gemeinsames Lernen? Wie kann berichtetes Wissen geteilt werden? Braucht es immer einen „maßgeschneiderten“ Bericht – oder können Stiftungen auf Ressourcen zurückgreifen, die ohnehin vorliegen? Ergänzt werden die Ausführungen mit konkreten Beispielen aus der Praxis – vom rein mündlichen Berichtswesen bis hin zu Stiftungs-Konsortien –, so dass Theorie und Praxis direkt ineinandergreifen.


  • Was sollten Stiftungen beachten, wenn sie Berichtspflichten definieren?

    Berichtserwartungen prüfen 

    Im Sinne des „weniger ist mehr” können Stiftungen mit dem folgenden Dreischritt prüfen, wie viel Berichtswesen sie brauchen und wollen:

    1. Brauchen wir schriftliche Berichte? Wenn ja, wozu? Wer wird den Bericht lesen und mit den Ergebnissen arbeiten? Gibt es Förderhöhen, unterhalb derer wir auf Berichte verzichten können?
    2. Wenn wir Berichte brauchen: Können wir Formate und Berichte nutzen, die die Partner ohnehin für andere Kontexte erstellen (z. B. Jahresberichte, Jahresrechnungen, Social Reporting Standard, Berichte an andere Geldgeber)?
    3. Können mündliche Gespräche schriftliche Berichte zumindest teilweise ersetzen? Eine Stunde Gespräch wird oft mehr Erkenntnis liefern als eine Stunde, die in die Abfassung und Lektüre von Berichten investiert wird.

    Folgende Tipps können helfen, Berichte zeitsparend und informativ für beide Seiten zu gestalten. Im Idealfall gestalten Stiftung und Förderpartner Struktur, Inhalt und Häufigkeit der Berichte gemeinsam.


    Nur relevante Informationen abfragen

    • Prioritäten klären: Der wichtigste Sinn von Daten besteht darin, dass sie der geförderten Organisation helfen, ihre Projekte und Aktivitäten zu steuern. Es bietet sich also an, mit der Organisation ein aussagekräftiges internes Reporting zu entwickeln, in das dann auch die Stiftung Einblick erhält. 
    • Sinnvolle Indikatoren: Stiftungen sollten sich stets daran orientieren, welche Daten Partner erheben (können), statt neue Zahlen zu fordern, die für die Organisation keine Relevanz haben. Die Festlegung der Indikatoren, über die berichtet wird, sollte gemeinsam erfolgen, damit es für beide Parteien sinnhaft ist.
    • Wenige aussagekräftige Zahlen: Berichte sollten nicht möglichst viele, sondern nur einige wenige Kennzahlen aufführen, die dafür aber aussagekräftig und für das gemeinsame Ziel relevant sind.
    • Antrag und Berichte zusammendenken: Informationen, die sich nicht ändern, müssen nicht wiederholt abgefragt werden.
    • Formatvorlagen bzw. Berichtsformulare nur, wenn sie Mehrarbeit reduzieren: Fixe Vorgaben bergen die Gefahr, Partner erheblich zu belasten, wenn diese für verschiedene Geldgeber*innen die immer gleichen Informationen in unterschiedlichen Gefässen präsentieren müssen. Vorlagen helfen dann, wenn wenige, konkrete Fragen gestellt werden. Zudem sind Vorlagen bzw. Formulare oft besonders für kleinere Organisationen hilfreich, die (noch) keine Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Stiftungen haben. 
    • Wort- bzw. Seitenzahlbegrenzungen können helfen, Berichte effektiv zu gestalten.

    Nur zu relevanten Zeitpunkten berichten

    • Sinnvolle Intervalle: Der Berichtsrhythmus wird danach gewählt, wann sich Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit sichtbar und relevant ändern.
    • Zeitpunkte und Formate synchronisieren: Für Projekte, die von unterschiedlichen Stiftungen  gefördert werden, ist es eine große Erleichterung, wenn sie nur einmal im Jahr einen Bericht erstellen können, anstatt immer wieder den aktuellen Stand zusammenfassen zu müssen. Idealerweise sollten sich alle Förderinstitutionen, die an der Finanzierung beteiligt sind, auf einen einheitlichen Berichtszeitraum (und ein Format) einigen.

    An die weitere Nutzung denken

    • Wofür benötigt die Stiftung die Informationen? Ergeben sich daraus Fragen oder Formatvorgaben, die Partnern beim Berichten helfen?
    • Falls die Stiftung bestimmte Informationen oder O-Töne aus den Projektberichten für ihren eigenen Jahresbericht verwenden will, muss das mit den Förderpartnern abgestimmt werden. 
    • Wichtige Erkenntnisse können intern geteilt werden, z. B. im Projektmanagement-Tool der Stiftung, so dass alle (auch die, die den Bericht nicht gelesen haben) auf einen Blick den Status quo und die aktuellen Herausforderungen kennen. 

    Fehlerkultur schaffen 

    • Sehen wir den Tatsachen ins Auge: Wenn ein Förderpartner Probleme in einem Projekt vor der Stiftung verbergen will, dann wird ihm das mit hoher Wahrscheinlichkeit auch gelingen – zumindest so lange, bis es zu spät ist. Die beste Risikokontrolle besteht daher nicht in einer rigorosen Prüfung, sondern in einem guten und vertrauensvollen Verhältnis. 
    • Nur wenn Förderpartner sicher sein können, dass die Förderung im Falle von Problemen nicht beendet wird, kann eine Fehlerkultur entstehen, in der Probleme und Herausforderungen offen angesprochen werden. Für die Stiftung ist das überaus wichtig; und zwar weit über das betreffende Projekt hinaus. Denn die Lernerfahrung aus dem einen Projekt wird sich sicherlich bald für die Beurteilung eines anderen Projekts als hilfreich erweisen. 
    • Bei den vertrauensbildenden Maßnahmen liegt der Ball ganz klar bei den Stiftungen: Sie müssen signalisieren, dass sie ein ehrliches Interesse an dem Projekt haben und Fehler als gemeinsame Herausforderung sehen. Dazu gehört auch die Bereitschaft, zugesagte Förder-Tranchen auch dann pünktlich auszubezahlen, wenn der Bericht Probleme offenlegt (solange die Durchführung insgesamt nicht infrage steht). 

    Förderpartnerschaft in zwei Richtungen denken

    • Bericht zur Weiterentwicklung der Zusammenarbeit: Fragen zu Entwicklungsschritten, Gelerntem und Bedürfnissen der Unterstützung können Stiftungen helfen, Bedarfe besser zu verstehen und ihre eigenen Prozesse zu verbessern. 
    • Kein Bericht ohne Rückmeldung! Jeder Bericht sollte eine Antwort erhalten, die mehr als eine Eingangsbestätigung ist, sei es mit einer E-Mail oder einem kurzen Gespräch. Nachfragen, Lob und Verabredungen zeigen Wertschätzung und Lerninteresse. So können Berichte die Entwicklung der Zusammenarbeit prägen.

  • Beispiele aus der Stiftungspraxis

    Sie kennen noch weitere Beispiele dafür, wie Stiftungen Berichte konstruktiv nutzen? Dann lassen Sie es uns gerne wissen, damit wir die Sammlung ergänzen können: hallo@weniger-ist-mehr.org.


    Abstimmung von Berichtspflichten 

    • Die Rudolf Augstein Stiftung, die Stiftung Mercator Schweiz und die Vector Stiftung stimmen ihr Reporting mit anderen Geldgeber*innen der geförderten Organisation ab, so dass es nur einen Bericht für alle beteiligten Förderstiftungen geben muss. Den Abstimmungsprozess übernimmt eine der Förderstiftungen auf freiwilliger Basis. 
    • Die Schöpflin Stiftung und die Rudolf Augstein Stiftung nutzen Stiftungs-Konsortien, um allen (größeren) Geldgebenden einen Einblick in die Aktivitäten der geförderten Institution zu geben. Die Struktur ist flexibel, aber nach Möglichkeit ersetzen die regelmäßigen Gespräche in der Runde schriftliche Berichte, die für die einzelnen Stiftungen erstellt werden müssten. Bei den Treffen wird zudem Feedback gegeben und gemeinsam überlegt, welche Herausforderungen sich aktuell stellen und wie die Stiftungen helfen können.

    Niedrigschwellige und interaktive Formate nutzen

    • Für die Berichterstattung des Jugendstil*-Ideenfonds der Stiftung Bürger für Bürger ist ein Instagram-Video oder ein Blog-Beitrag der geförderten Initiative ausreichend, um nachvollziehbar darzustellen, wie die Idee umgesetzt und die Förderung verwendet wurde. Zudem gibt es Vernetzungsveranstaltungen für die Geförderten, um Erfahrungen auszutauschen und über ihre Idee zu berichten. 
    • Die Stiftung Mercator Schweiz nutzt vermehrt mündliche und interaktive Formate der Berichterstattung. Ausgewählte Förderpartner berichten der Stiftung in kurzen Input-Referaten zu Wirkung und Learnings, die Erkenntnisse werden diskutiert. Neben der Geschäftsstelle der Stiftung sind manchmal auch externe Gäste dazugeladen. Zur Dokumentation erstellt die Stiftung selbst ein pragmatisches Protokoll.
    • Die Vector Stiftung setzt auf Meilenstein-Gespräche mit einer kurzen PowerPoint-Präsentation, online oder bei der Stiftung bzw. dem Projekt vor Ort. Eingeladen sind Stifter*innen, Stiftungsmitarbeitende und Geförderte, aber auch weitere Förderinstitutionen, Stakeholder*innen und Interessierte. Individuell und je nach Komplexität des Projekts wird die Vorbereitung des Gesprächs durch einen kurzen Bericht der geförderten Institution ergänzt. Für kleinere Projekte ist keinerlei Reporting notwendig. 

    Oral Reporting


    Nutzung weiterdenken 

    • Unter dem Motto „Public Understandig of Science“ offeriert die Gebert Rüf Stiftung den geförderten Forscher*innen eine Weiterbildung, um ihr Projekt filmisch in Szene zu setzen und einen Impact Clip zu produzieren. Der Clip wird mit dem Schlussbericht eingereicht und von dem Projektteam und der Stiftung zur Skalierung des Projekts auf Social Media genutzt.

  • Rechtliche Mindestanforderungen

    Rechtliche Mindestanforderungen / Deutschland

    Gibt eine gemeinnützige Stiftung einer anderen gemeinnützigen Organisation eine Förderung, reichen im Minimum der Nachweis der Gemeinnützigkeit der anderen Einrichtung (z. B. durch den Freistellungsbescheid) und eine Bestätigung, dass das Geld eingegangen ist (z. B. Quittung, E-Mail). Auch formal gibt es keine rechtlichen Anforderungen an ein Berichtswesen. Stiftungen können daher grundsätzlich auch ganz auf Berichte verzichten. Ausnahmen von dieser Regel bestehen eventuell, wenn (öffentliche) Gelder weitergeleitet werden. 


    Enthält die Satzung der Stiftung genauere Vorgaben zur Zweckverwirklichung, sollte aus einem Bericht hervorgehen, dass diese erfüllt wurden. Das kann aber auch dadurch geschehen, dass bei der Zusage der Förderung auf den passenden Antrag Bezug genommen und von der Empfängerorganisation bestätigt wird, dass die Mittel entsprechend verwendet wurden. Diese Information kann sich auch aus einem Bericht ergeben, der nicht speziell für die Stiftung angefertigt wurde (z. B. Jahresbericht, Wirkungsbericht etc.).


    Rechtliche Mindestanforderungen / Schweiz 

    Es gibt keine gesetzlichen Mindestanforderungen an ein Berichtswesen. Die Stiftungsurkunde oder die Stiftungsreglemente können Vorgaben über die Rechenschaftsablegung von Projektpartnern aufstellen. Entsprechend können sich allfällige Anforderungen an ein Berichtswesen von Stiftung zu Stiftung unterscheiden.

    Grundsätzlich haben Stiftungen bzw. ihre Organe die geförderten Projekte bzw. Organisationen zu begleiten, zu überwachen und auf ihre Wirkung zu prüfen, wozu sich zum Beispiel Berichte anbieten.


    In Hinsicht auf die Berichtspflichten stellt der Swiss Foundation Code (SFC) fest, dass Berichte Bestandteil einer regelmässigen Qualitätskontrolle sind: 

    • „Diese [Qualitätskontrolle] soll in einem angemessenen Verhältnis zu den erteilten Beiträgen stehen.“ Auch „der Aufwand für die Wirkungsmessung muss sich im Verhältnis zur Fördersumme rechtfertigen lassen.“ (SFC, Empfehlung 19 & 20)
    • Im Sinne der Transparenz und Planbarkeit sind „die Anforderungen der Qualitätskontrolle bereits zum Zeitpunkt der ersten Beitragszusprechung im Fördervertrag festzulegen.“ (SFC, Empfehlung 19)
    • Neben der Qualitätskontrolle dienen die Informationen aus Förderprojekten auch dem internen Lernen: „Aus der Projektbegleitung zieht die Stiftung Rückschlüsse auf ihre Förderstrategie, die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel und die Förderkriterien.“ (SFC, Empfehlung 19)

    NB: Der „Swiss Foundation Code“ formuliert Good-Governance-Richtlinien für Stiftungen. Er spricht Empfehlungen, aber keine zwingenden Bestimmungen aus.


    Rechtliche Mindestanforderungen / Liechtenstein

    Für gemeinnützige Stiftungen in Liechtenstein gilt Ähnliches: Ohne besondere Vorgaben in den Stiftungsdokumenten ist die Stiftung in der Gestaltung ihrer Berichtsanforderungen frei und kann auch entscheiden, ganz auf Berichte zu verzichten, sofern die zweckentsprechende Mittelverwendung der Revisionsstelle auf andere Weise nachgewiesen werden kann.


  • Ansprechpartner:innen

    Die folgenden Personen aus dem Autor:innen-Team stehen Ihnen gerne für Rückfragen und weitere Auskünfte zum Thema "wie können Stiftungen Berichte konstruktiv gestalten" zur Verfügung, insbesondere zu den Beispielen der betreffenden Stiftungen:  




  • Webtalks #ImpulseStiften zum Thema Berichte

    Sie wollen noch mehr Input zu der Frage, wie man Berichte von geförderten Projekten konstruktiver gestalten kann? Dann hören Sie gerne rein in den Call „Berichtssaison: Vom Verwaltungsakt zur Learning Journey“ im Webtalk #ImpulseStiften vom 22.3.2022.


  • Literatur

    Auch andere haben sich darüber Gedanken gemacht, wie sinnvoll Berichte sein können und welche Fragen man sich als Förderstiftung stellen sollte. Als Ergänzung zu unseren bereits genannten Tipps und Tricks gibt es hier gute Einblicke zum Thema vom Center for Effective Philanthropy ("Alternatives to the Fiery Furnace: Thoughtful Reporting Requirements")und aus dem „PEAK Grantmaking Journal Issue 13: Revisit Reporting“. 


    Mit Blick auf die rechtlichen Nachweispflichten klärt Rupert Graf Strachwitz die Streitfrage: "Empfangsbestätigung und Zuwendungsbestätigung"?


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