Eine Frage der Haltung
Bei weniger ist mehr dreht sich alles um konkrete Beispiele und Hinweise für die Stiftungsarbeit – aber eigentlich geht es um mehr. Denn wichtiger als ausgefeilte Prozesse und innovative Methoden der Förderung ist unserer Überzeugung nach die Haltung, mit der Stiftungen und Stiftungsmitarbeitende in Förderbeziehungen gehen. Es ist eine konstruktive und mitunter demütige Haltung, die sich wie ein roter Faden durch den Leitfaden zieht.
Macht war und ist immer ein wesentlicher Bestandteil der Stiftungsarbeit. Die Rede von der „gleichen Augenhöhe“ kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die einen über das Geld bestimmen, das die anderen benötigen. Dieses Ungleichgewicht führt dazu, dass Stiftungen (genauso wie andere öffentliche oder private Förderorganisationen) die Bedingungen der Förderung typischerweise einseitig definieren: Sie legen fest, welche Themen förderungswürdig sind, welche Summen bereitgestellt werden, welche Bedingungen erfüllt werden müssen, wer über die Vergabe der Mittel entscheidet und welche Organisationen gefördert werden.
Immer wieder füllen Stiftungen diese Rolle aus, indem sie versuchen, mit vielen Auflagen und Vorgaben sicherzustellen, dass die Zwecke der Stiftung erfüllt werden. Es spricht jedoch vieles dafür, dass sie damit mitunter genau das Gegenteil bewirken.
Denn anders als es in dem Wort „Destinatär“ anklingt, erschöpft sich eine Förderbeziehung nicht darin, dass eine Stiftung einer anderen Organisation Geld zur Verfügung stellt. Schließlich gibt die Stiftung das Geld mit einem bestimmten Zweck, nämlich um sich für Themen oder Menschen einzusetzen, die der Stiftung am Herzen liegen. Es handelt sich also um eine Partnerschaft zugunsten Dritter. In diese Partnerschaft bringt die Stiftung Geld und manchmal auch ihr Wissen oder ihr Netzwerk ein, während die geförderte Organisation ihr Personal, ihr Know-how, ihre Strukturen, ihre Projekte etc. zur Verfügung stellt. Keiner der Partner kann allein das gemeinsame Ziel erreichen, sei es benachteiligte Kinder zu unterstützen, wissenschaftliche Talente zu fördern oder bedrohte Tierarten zu schützen.
Mit anderen Worten: Wir sind als Förderstiftungen nur so gut wie die Partner, die wir fördern. Je besser diese ihre Arbeit machen können, desto besser erfüllen wir unsere Zwecke. Es liegt also im ureigensten Interesse jeder Stiftung, den geförderten Organisationen zu ermöglichen, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren und einen möglichst guten Job zu machen.
Dieses Verständnis von Stiftungsarbeit ist die Grundlage des Leitfadens. Es ist eine Haltung, die von Vertrauen, Wertschätzung und Respekt geprägt ist und die geförderten Organisationen als Expert*innen anerkennt.
Stiftungen haben die Freiheit, ihre Prozesse nach eigenem Ermessen zu gestalten. Wir sollten diese Freiheit nutzen, indem wir innovativ fördern; zum Beispiel durch mehr Vertrauen, durch langfristige Zusagen oder durch Beratung und Unterstützung. Damit erzeugen wir einen Mehrwert, der die Wirkung unserer – im Vergleich zu öffentlichen Haushalten oder Unternehmensbudgets doch überschaubaren – Stiftungsmittel vervielfachen kann.