Wie Stiftungen den Antragsprozess fair gestalten können
Der Förderantrag ist oft der erste Kontakt zwischen einer Stiftung und ihren zukünftigen Förderpartnern. Dieser Schritt prägt die gesamte weitere Zusammenarbeit und sollte daher entsprechend umsichtig gestaltet werden.
Für Projektträger bedeuten Förderanträge an Stiftungen vor allem unzählige Stunden Arbeitszeit, die sie selbst aufbringen und finanzieren müssen - laut dem Schweizer „Grantee Review Report“ im Schnitt zwischen 32 und 63 Stunden pro Gesuch. Eine Untersuchung aus Großbritannien kommt zu dem Ergebnis, dass die echten Kosten bei den Antragstellenden und den Stiftungen so hoch sind, dass sie in fast der Hälfte der Fälle die eigentliche Fördersumme übersteigen.
Kaum zufällig denken daher viele spendensammelnde Organisationen beim Thema „Stiftungs-Förderung“ oftmals zunächst an bürokratische Hürden und einen aufwendigen Formalitäten-Dschungel. Zudem können komplizierte Antragsformulare eine Hürde darstellen, die bestimmte Personen oder Organisationen davon abhält, überhaupt einen Antrag zu stellen.
Die Förderstiftungen selbst haben es in der Hand, administrative Prozesse zu vereinfachen, um so den Aufwand für die Antragstellung in ein angemessenes Verhältnis zur Fördersumme zu bringen. Das folgende Kapitel lädt zur Reflexion darüber ein, wie Förderstiftungen mit ihrer Verantwortung umgehen können, um sowohl die Antragstellung als auch die Antragsbewilligung fairer, schlanker und partizipativer zu gestalten.
Zahlreiche Praxisbeispiele verdeutlichen, wie Stiftungen ihre Arbeit bereits durch Haltung, Offenheit, Recherche und Kooperationen weiterentwickelt haben. Antworten auf viele Fragen entstehen oft im Dialog mit den Förderpartnern – aber gerade auch im Austausch der Förderstiftungen untereinander.
Do no harm
„Do no harm“ ist ein wichtiger Grundsatz für Stiftungen – sie wollen ja helfen und keinen Schaden anrichten.
Vor dem Antrag: Im Dialog mehr Wirkung erzielen
Oft setzen sich bei Förderausschreibungen vor allem Organisationen durch, die bereits „Antragsprofis“ sind. Kleine und noch unerfahrene Engagierte benötigen das Geld von Stiftungen aber oft viel dringender. Stiftungen, die vor allem kleine, lokale Initiativen erreichen wollen, sollten ihren Antragsprozess so niederschwellig wie möglich gestalten. Im Idealfall beginnt die Beziehung zwischen Förderpartner und Förderstiftung bereits vor dem formalen Antrag.
Recherche und Ausschreibung gut planen
Es gibt zahllose Wege, wie Stiftungen die passenden Förderpartner finden können – von diskreten Recherchen bis hin zu aufwendigen öffentlichen Ausschreibungen. Über die Wahl der Ansprache können Stiftungen nicht nur die Anzahl, sondern auch die Qualität der Anträge steuern. Es lohnt sich daher, sich intensiv mit der Frage zu beschäftigen, auf welchem Weg potenzielle Förderpartner angesprochen werden.
Grundsätzlich gilt: Das Verhältnis von eingereichten Förderanträgen zu bewilligten Förderungen sollte etwa bei 3 zu 1 liegen. Weniger Anträge schränken die Auswahl der Stiftung zu sehr ein, deutlich mehr Anträge machen der Stiftung und vor allem den abgelehnten Antragsteller*innen unnötige Arbeit.
Den eigenen Antragsprozess hinterfragen
„nein” sagen
Grundsätzlich sollte jede Organisation, die einen Förderantrag einreicht, eine zeitnahe und verbindliche Rückmeldung erhalten. Das schafft nicht nur Klarheit auf der Seite der Antragstellenden, sondern stärkt auch das Image des Stiftungssektors.
Sie kennen noch weitere Beispiele dafür, wie Stiftungen den Antragsprozess fair gestalten? Dann lassen Sie es uns gerne wissen, damit wir die Sammlung weiter ergänzen können: hallo@weniger-ist-mehr.org.
Dialogische und schlanke Antragstellung
Flexible Projektplanung
Synergien nutzen
Transparente Auswahlkriterien
Förderentscheidungen fairer und partizipativer gestalten
Rechtliche Mindestanforderungen / Deutschland
Für das Antragsverfahren gibt es keine zwingenden rechtlichen Anforderungen – nicht einmal, dass es überhaupt einen Antrag geben muss. Allerdings: Ausnahmen bestätigen die Regel; etwa wenn Mittel von anderen Institutionen oder der öffentlichen Hand weitergeleitet werden. Dann ist ein formeller Antragsprozess oft Bedingung.
Da der Stiftungsvorstand die Verantwortung für die Mittelvergabe trägt, muss er in der Lage sein, die satzungsgemäße Verwendung der Stiftungsmittel nachzuweisen. Die Informationsquelle hierfür kann ein Antrag sein, ein Gespräch oder eine anderweitige Recherche.
Rechtliche Mindestanforderungen / Schweiz
Grundsätzlich gibt es keine gesetzlichen Anforderungen an das Antragsverfahren. Soweit die Stiftungsurkunde oder die Stiftungsreglemente keine Vorgaben dazu enthalten, steht es Stiftungen völlig frei, zu entscheiden, wie sie den Gesuchsprozess gestalten.
Hierzu formuliert der Swiss Foundation Code (SFC) eine Reihe von Vorgaben, an denen sich Stiftungen orientieren können:
NB: Der „Swiss Foundation Code“ formuliert Good-Governance-Richtlinien für Stiftungen. Er spricht Empfehlungen, aber keine zwingenden Bestimmungen aus.
Rechtliche Mindestanforderungen / Liechtenstein
Für das Antragsverfahren gibt es keine zwingenden rechtlichen Anforderungen.
Gemeinnützige Stiftungen in Liechtenstein haben in der Regel eine Revisionsstelle, die jährlich u. a. prüft, ob das Stiftungsvermögen „seinen Zwecken gemäss verwaltet und verwendet wird”. Der Stiftungsrat muss also in der Lage sein, die zweckentsprechende Mittelverwendung zu dokumentieren. Insofern kann es sinnvoll sein, Anträge so zu gestalten, dass sich aus ihnen bereits die wesentlichen Angaben für die Zweckentsprechung ergeben.
Die folgenden Personen aus dem Autor:innen-Team stehen Ihnen gerne für Rückfragen und weitere Auskünfte zum Thema "wie können Stiftungen den Antragsprozess fair gestalten" zur Verfügung:
Sie möchten mehr darüber wissen, wie Stiftungen über Förderungen entscheiden? Dann hören Sie gerne rein in den call “Innovative Verfahren zur Projektauswahl” im Webtalk #ImpulseStiften vom 22.2.2022
Wenn Sie sich für Förderfonds interessieren, empfehlen wir den call vom 27.4.2021: "Gemeinsame Fördertöpfe – ein Modell über die Krise hinaus?"
Im Call am 14.3.2023 haben verschiedene Stiftungen vorgestellt, auf welchen Wegen sie an ihre Förderprojekte gelangen: Hier ist der Mitschnitt des calls „Wie kommen wir Stiftungen an unsere Förderprojekte?“
In ihrem Buch „Noise: A Flaw in Human Judgment“ machen Daniel Kahneman, Olivier Sibony und Cass Sunstein deutlich, wie sehr zufällige Faktoren und Vorurteile unsere Entscheidungen beeinflussen. Auch Stiftungen können lernen, diese »Störgeräusche« zu verstehen und mit ihnen umzugehen, um bessere Entscheidungen zu treffen.
Der Leitfaden "Förderwettbewerbe -Ausschreibungen erfolgreich planen und durchführen" erläutert, wie , wann und warum Stiftungen Förderungen öffentlich ausschreiben sollten.
Die Guerrrilla Foundation hat ihre Projektauswahl im Jahr 2022 auf einen partizipativen Prozess umgestellt und die learings in einem Text zusammengefasst: